«Auwald» – Ein bisschen wie Robinson Crusoe

Holz rieche in Wirklichkeit nicht nach Holz, erfahren die Leser gleich zu Beginn von Jana Volkmanns neuem Roman «Auwald», sondern „nach Tanne, Buche oder Birke. Nach Kirschbaum oder Nussbaum, nach ätherischen Ölen in den Hölzern und Harzen. Oliven- oder Leinöl, Bienenwachs oder Lasur“. Mit Holz, so viel wird klar, kennt sich die Protagonistin aus. Judith arbeitet als Tischlerin und liebt ihren Beruf so sehr, dass sie nie fertig sein will. 

Diese grenzenlose Leidenschaft ist aber nicht ungefährlich, wie ihr Chef bemerkt. Damit Judith sich ein wenig erholt und auf andere Gedanken kommt, regt er eine Auszeit an. Die Wienerin geht auf den Vorschlag ein und begibt sich mit einem Schiff nach Bratislava – ohne ihrer Partnerin Lin etwas davon zu erzählen. Aus dem geplanten Urlaub wird schnell ein Abenteuer, das Judith in den Auwald führt. Dort, wo sie mit ihren geliebten Hölzern allein ist, beginnt ein neues Leben, jenseits der Zivilisation auf einem unwegsamen Gelände. 

Bis es so weit kommt, erfährt man im ersten Teil viel über Judiths Charakter. Die junge Frau erweist sich als nicht sonderlich gesellig, als jemand, der das Leben eher beobachtet, anstatt es zu genießen. Sie ist selbstgenügsam und geht mit dieser Eigenschaft gelassen um: „Anfangs hat es sie irritiert, wie großartig es sich anfühlte, allein zu sein. Mittlerweile hatte sie aufgegeben, sich schlecht zu fühlen, weil es ihr so gut ging mit sich selbst“, heißt es. 

Jana Volkmann beschreibt das Denken und Handeln ihrer Heldin zunächst aus der Perspektive einer personellen Erzählerin, wechselt im zweiten Teil jedoch in den Modus der Ich-Erzählerin. Judiths Erlebnisse im Auwald werden dadurch noch unmittelbarer und direkter. Und was sie erlebt, ist ein Kampf gegen die Natur. Sie muss hungern, frieren und leiden. Sie muss Opfer erbringen und sich überwinden, im Schlamm waten und Gefahren abwenden. Der Trip wird zu einer Entwicklungsreise voller innerer Konflikte und äußerer Hindernisse, mit der Judith ihr altes Ich hinter sich lässt.

Dennoch ist es weniger die Dramaturgie, die den Roman ausmacht, sondern die kunstvolle Sprache. Sie zeichnet sich durch einen breiten Wortschatz aus und eine Poetik, die keinen Schnörkel benötigt, um die Leser ästhetisch zu beeindrucken: „Sie war ein Höhlentier geworden, eine Chimäre, der Rucksack ihr Schneckenhaus, Hose und T-Shirt ihr Exoskelett.“ Sätze wie diese machen die Lektüre zum Genuss. Sie eignet sich für alle, die Spracheleganz einer packenden Geschichte vorziehen.

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